Gemeinsam für die Artenvielfalt
Ein Rückblick auf das Niederwildsymposium

Haben Wildtiere im Offenland noch eine Zukunft? Dieser Frage gingen am 11. April der LJV und der DJV gemeinsam mit Vertretern aus Wissenschaft, Politik und Landwirtschaft auf dem Niederwildsymposium in Mainz nach.

„Wir wollen heute Klartext sprechen“, kündigte LJV-Vizepräsident Gundolf Bartmann gleich zu Beginn des Niederwildsymposiums im Kurfürstlichen Schloss zu Mainz vor rund 450 Teilnehmern an. Gemeinsam mit der Journalistin und Autorin Dr. Tanja Busse gab Bartmann den richtigen Ton für die international besetzte Veranstaltung vor. Nicht weniger deutliche Worte fand LJV-Präsident Dieter Mahr in seinem Eingangsstatement: „Wir müssen uns fragen, ob wir stillschweigend zusehen wollen, wie ein Art nach der anderen verschwindet. Es ist höchste Zeit etwas zu tun.“ Mahr forderte in Richtung der zeitgleich laufenden Agrarministerkonferenz, die übergeordneten Rahmenbedingungen zu ändern und die EU-Agrarpolitik im Sinne des Artenschutzes anzupassen. DJV Schatzmeister und LJV-Ehrenpräsident Kurt Alexander Michael unterstrich Mahrs Forderung und machte deutlich, dass „wir ein Produktionsziel Artenvielfalt und eine faire Entlohnung der Landwirtschaft für diese Arbeit brauchen.“

LJV Präsident Dieter Mahr fordert ein sofortiges Handeln, um die Artenvielfalt im Offenland zu retten.
LJV-Vizepräsident Gundolf Bartmann und Dr. Tanja Busse moderierten das Niederwildsymposium.
DJV-Schatzmeister Kurt Alexander Michael: "Wir brauchen ein Produktionsziel Artenvielfalt."

Handlungsbedarf sah auch die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken. „Ich kann ihre Forderungen aufgreifen in Richtung Agrarpolitik. Ich kann unterschreiben, dass Landwirte besser entlohnt werden sollten für ihren Beitrag zur Artenvielfalt. Ich hoffe, dass die Agrarministerkonferenz diesen Impuls aufnimmt, “ war gleich zu Beginn die Botschaft der Ministerin an die Jägerschaft.

Umweltministerin Ulrike Höfken ist der Meinung, dass Landwirte für ihren Beitrag zur Artenvielfalt besser entlohnt werden sollten.

Eine andere, nicht minder ausdrückliche Botschaft kam von Seiten der Wissenschaft. Prof. Dr. Klaus Hackländer von der Universität für Bodenkultur Wien und Dr. Fancis Bruner vom PARTRIDGE Interreg-Project, Loddington, GBR, stellten die dramatische Situation der Offenlandarten dar. „Ich habe die Befürchtung, dass Hasen, Fasane und Rebhühner bald nur noch in Büchern zu sehen sein werden“, gab Prof. Dr. Hackländer zu. Mit Blick auf den Feldhasen sagte er: „Sein Schicksal entscheidet sich jetzt!“. Und in der Tat, die intensive Landwirtschaft wirkt als sogenannter Superfaktor negativ auf die Überlebenschancen von Meister Lampe. Sie wirkt verstärkend auf alle anderen negtiven Faktoren wie eine hohe Prädatorendichte, Klimaveränderungen und Krankheiten. Prof. Dr. Hackländer sieht in der extensiven Landwirtschaft mit einem hohen Anteil an Brachen einen Schlüssel zur Rettung des Feldshasen. „Brachflächen sind Paradiese in der ausgeräumten Landschaft. Dort gibt es überdurchschnittlich viele Vögel, Säugetiere und Insekten.“

Für das Rebhuhn gelte das gleiche, zeigte sich Dr. Francis Buner überzeugt. „Die Intensivierung der Landwirtschaft hat dazu geführt, dass Nist- und Deckungshabitate fehlen“, sagte er. „Pestizideinsatz reduziert die Anzahl von Insekten. In den übrigen Habitaten kommt es dann zu einem höheren Prädationsdruck.“ In seinen Ausführungen beschrieb er unterschiedliche Rebhuhnschutz-Modelle und deren Wirkung. So basiere das „Schweizer Modell“ mit einer aufwändigen Habitataufwertung – aber ohne Räuberkontrolle – auf Idealismus und helfe dem Rebhuhn nicht. Eine bessere Wirkung erziele das „Göttinger Modell“, bei dem die Habitataufwertung großflächig und trittsteinartig umgesetzt werde. Doch ohne Prädatorenbejagung könne man mit diesem Modell lediglich die Art erhalten. Das „Englische Modell“ mit Habitatpflege, intensive Prädatorenbejagung und gezielte Fütterungen sei seiner Meinung nach der einzige Weg, die Rebhuhnbesätze nicht nur zu erhalten, sondern sogar zu steigern. „Ein konstruktiver Dialog ist das A und O für den Artenschutz“, betonte Dr. Buner. Landwirtschaft, Artenschutz und Jagd müssen zusammenarbeiten, bevor es zu spät sei. „Jäger sind die Einzigen, die sich für das Rebhuhn interessieren. Wenn sich die Jägerschaft nicht für das Rebhuhn einsetzt, wird es niemand anderes tun und die Art wird aussterben“; so der Schweizer Wissenschaftler.

Innerhalb der EU haben die Länder mit der intensivsten Landwirtschaft die größten Rückgänge bei den Feldhasenbesätze, sagt Prof. Dr. Klaus Hackländer.

Vortrag “Spannungsfeld Landwirtschaft und Artenschutz – Forderungen aus Sicht der Wissenschaft”

Von Prof. Dr. Klaus Hackländer

Vortrag “Rebhuhnschutz in Europa – Chancen für den Artenschutz im Kulturland”

Von Dr. Francis Buner

„Man muss eben auch mal Prädatoren töten, damit bedrohte Arten eine Chance haben“, gab Prof. Dr. Michael Rademacher von der Technischen Hochschule Bingen in seinem Beitrag über ökologische Nischen und ihren Wert für die Biodiversität zu verstehen. Seiner Meinung nach müssen die alten Feindbilder zwischen Ökologie, Jägerschaft und Landwirtschaft fallen, um bedrohte Arten zu retten. „Wenn wir etwas tun wollen, müssen wir Maßnahmen großflächig umsetzen“, so Prof. Dr. Rademacher. Extensiv bewirtschaftete Flächen nannte er „Supermärkte“ für eine Vielzahl von Vögeln, da sie dort eine Fülle an Nahrung fänden. „Naturschützer, Jäger und Landwirte müssen sich endlich an einen Tisch setzen. Der Schutz der Artenvielfalt ist ein gesellschaftliches Problem. Deshalb ist die Zusammenarbeit essentiell.“

Prof. Dr. Michael Rademacher plädiert für mehr Struktur in der Kulturlandschaft.

Vortrag “Vielfältige Lebensräume – Ökologische Nischen und ihr Wert für die Biodiversität

Von Prof. Dr. Michael Rademacher

Die hohe Bedeutung der Prädatorenjagd mithilfe von Fanggeräten legte Dr. Astrid Sutor vom DJV dar. „Wenn wir über Prädation sprechen, spielen Raben- und Greifvögel eine Rolle, aber die meiste Prädation geschieht nachts“, erklärt Dr. Sutor. „Raubsäuger sind die größte Gefahr.“ In der Raubwildbejagung sieht sie das Prinzip einer nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen gegeben, denn es sei besser, Pelzkragen aus heimischen Füchsen zu tragen, als Pelz aus einer Qualzucht aus Fernost. Deshalb sei Fellwechsel geschaffen worden, so Dr. Sutor.

Die Raubwildbejagung haben Jägerinnen und Jäger selbst in der Hand. Welche Voraussetzungen muss aber die Politik schaffen, damit die Landwirtschaft die dringend notwendigen Änderungen in der Agrarlandschaft umsetzt? Wie die „Gemeinsame Agrarpolitik“ (GAP) nach 2020 aussehen soll, schilderte Dr. Hubertus Wolfgarten vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. „Das neue Umsetzungsmodell soll stärker ziel- und ergebnisorientiert sein“, erklärt Dr. Wolfgarten. „Die Mitgliedsstaaten erstellen einen einzigen Strategieplan für die zwei Säulen der GAP zusammen.“ Dabei umfasst die erste Säule Marktmaßnahmen und Direktzahlungen, die zu 100 Prozent von der EU finanziert werden. Die zweite Säule umfasst Maßnahmen der ländlichen Entwicklung, die in Deutschland von den Bundesländern programmiert werden und von der EU und den Bundesländern (vielfach auch aus Bundesmitteln) kofinanziert werden.

Die derzeitige Umsetzung der GAP sieht Cosima Lindemann, Vorsitzende NABU Rheinland-Pfalz, kritisch. „Nach den Kriterien der EU wird die GAP ihren eigenen Zielen nicht gerecht“, betont sie. „Das Resultat unseres Fitness-Checks war katastrophal. Die GAP hat durchaus wichtige Ziele, diese müssen aber auch effizient erreicht werden.“ Lindemann schilderte, dass rund 58 Milliarden Euro – also fast 40 Prozent des EU-Haushaltes – in die GAP einfließen. Diese Subventionen seien aber ineffizient, da sie überwiegend nach dem Gießkannenprinzip ausgeschüttet würden und nicht an konkrete Gegenleistungen geknüpft seien. „Kulturlandschaft und Biodiversität sind die wichtigsten Güter, die Landwirtschaft herstellen kann. Die gibt es nicht auf dem Weltmarkt zu kaufen. Wir sind verantwortlich dies zu fördern. Wir müssen an der Politik und am gesellschaftlichen Handeln etwas ändern“, fordert die rheinland-pfälzische NABU-Vorsitzende. Nur gemeinsam mit der Landwirtschaft könne Biodiversität entstehen, sagte sie.

"Neben Lebensraumverlust sind invasive Arten weltweit Hauptursache für den Artenschwund", sagt Dr. Astrid Sutor.
Dr. Hubertus Wolfgarten legte in seinem Vortrag die GAP nach 2020 dar.
Cosima Lindemann stellt der GAP ein schlechtes Zeugnis aus.

Vortrag “Prädatorenbejagung als Instrument des aktiven Artenschutzes”

Von Dr. Astrid Sutor

Votrag “Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nach 2020 – Möglichkeiten und Chancen –

Von Dr. Hubertus Wolfgarten

Mit Spannung wurde die Podiumsdiskussion am Nachmittag erwartet. Den Aufschlag machte Sarah Wirtz, Projektleiterin des  Wildschutzprogramms Feld & Wiese (WFW), mit einem Impulsvortrag. Darin erklärte Wirtz die zwei Säulen des WFW: 1. Lebensraumverbesserungen, 2. Prädatorenmanagement. Das gesamte Repertoire an Maßnahmen setzt das WFW derzeit in drei Demonstrationsrevieren in den Landkreisen Mayen-Koblenz, Mainz-Bingen und Alzey-Worms auf einer Gesamtfläche von rund 2.000 ha um. Mit einem Monitoring der Leitwildarten Rebhuhn und Feldhase werde eine direkte Überprüfung des Einflusses der umgesetzten Maßnahmen gewährleistet, so die Projektleiterin.

Im Anschluss moderierte Dr. Tanja Busse die engagierte Diskussion mit den Teilnehmern Arno Schmidt, MdL, Vorsitzender des Landtags-Ausschusses Landwirtschaft und Weinbau (CDU), Marco Weber, MdL, Vorsitzender des Landtags-Ausschusses für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten (FDP), Nico Steinbach, MdL, stellv. Vorsitzender des Landtags-Ausschusses für Landwirtschaft und Weinbau (SPD), Ralph Gockel, Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, Dr. Nikolaus Bretschneider, Vizepräsident LJV Hessen, Anne Wischemann, Wildforschungsstelle Aulendorf, Prof. Dr. Hackländer und Sarah Wirtz. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass allen Teilnehmern klar war, dass praxisnahe, flexible und klare Richtlinien notwendig sind, um mit Hilfe der Landwirtschaft Biodiversität zu schaffen. Alle Maßnahmen sollten nachhaltig wirksam sein. Dafür sei die Zusammenarbeit von Wissenschaft, Naturschutz, Landwirtschaft, Jagd und Politik notwendig, eine Vernetzung aller Akteure also unabdingbar.

Projektleiterin Sarah Wirtz stellte das Wildschutzprogramm Feld & Wiese vor.
Rund 450 Teilnehmer nahmen am Niederwildsymposium in Mainz teil.
Die Podiumsdiskussion verlief engagiert.

Am Ende der Diskussion schauten alle Teilnehmer gemeinsam mit Dr. Busse auf eine mögliche Entwicklung bis zum Jahr 2030. Einigkeit herrschte darin, dass, sollten die am Symposium angestoßenen Lösungenansätze umgesetzt und der gemeinsame Wille bestehen, die Artenvielfalt im Offenland zu retten, es doch noch eine Zukunft für Feldhase und Rebhuhn geben kann.

Tagungsband herunterladen